filmtagebuch

Montag, 12. Dezember 2005

King Kong und die weiße Frau

Ein grausamer Film. Aber es ist eine andere Grausamkeit, als die des im Jahr zuvor entstandenen Tarzan. Es gibt ganz frappierende Ähnlichkeiten, keine Frage, aber dennoch scheint mir auch ein gravierender Unterschied zu bestehen (den ich aber nicht wirklich kommunikativ benennen kann, weil ich Tarzan zuletzt vor einiger Zeit und vor allem unter ganz anderen Bedingungen gesehen habe).

Ich hab mir gar nicht bewusst gemacht, wie bedeutsam das Motto für den Films selbst ist, ja regelrecht ein moralisches Motiv - dann freilich ein seltsames. Außerdem: wie flächig, d.h. wie wenig detailreich mise-en-scene und cadrage agieren.

Die ganzen Aspekte und Themen, die in King Kong angerissen und aufgegriffen werden, selbstreflexive, koloniale, psychologische, topografische Hintergründe, nicht zuletzt die Parallele zu Frankenstein - das sind alles Dinge, an denen - und ich möchte sagen: vor allem an denen - sich Jacksons Film wird beweisen müssen. Vom Trailer (und anderen Dingen) zum neuen Film wurde ich ja einigermaßen ernüchtert, vielleicht hängt es damit zusammen, dass sich mir der Gedanke aufdrängt - und ich weiß, es klingt seltsam -, dass man ihm schon im Voraus totales Scheitern konstatieren muss, so er denn keine angemessene Übertragungsleistung vollbringen sollte (alle Chancen dazu hat er). Wenn er wenigstens eine angemessene Reflexion der Attraktion präsentieren könnte - ob das schon reichte?

Max Steiner nervt hier dermaßen.

... und die Notiz von Borges ist immer noch schön und stimmig.

Ach ja: Ist jetzt sicher an der Zeit, den Grafen Zaroff wieder rauszukramen. (2.11.05)

PS vom 11.12.05: Wie ich höre, taucht Kong 'erst' nach einer Stunde im neuen Film auf. Es kann gut sein, dass in dieser Zeit vom Film etwas installiert wird, mit dem dieser dann in seinem 2. und 3. Teil prima wird umgehen können. Will sagen: Hoffnung gibt's schon bei mir.

Donnerstag, 6. Oktober 2005

Land of the Dead

Nachdem Peter Körte in der FAS gerade die Frage nicht beantwortet hat, warum er es nicht haben mag, dass die (film- oder werkhistorische) Evolution der Zombies einen abermals höheren Grad von Sprache und Sozialem erreicht, beendet er seine Kritik folgendermaßen:

Doch als ich das Kino nach der Vorführung verließ, da schlurfte ein paar Meter vor mir ein Mann, dessen Bewegungen seltsam verlangsamt und unkoordiniert wirkten, und das vom Glasdach gefilterte Dämmerlicht im Berliner Sony-Center erinnerte unwillkürlich an die Mall in "Dawn of the Dead" (1978). So viele Filme gibt es nicht mehr, nach denen einem so etwas passiert.

Solche Wahrnehmungseffekte sind großartig und gleichsam erhaben und schön. Nur die schlechtesten Filme lösen sie nicht aus. Vielleicht kann man es (in Ermangelung von Begriffen) den "Charaktereindruck" eines Films nennen, und es meinetwegen dialektisch formulieren als: den Charakter, der dem Film eingeprägt ist, sein "Wesen" oder besser: sein (Wirk-)Potenzial; den Eindruck, den dieser wiederum im je speziellen Zuschauer hinterlässt; jener geht schließlich aus dem Saal und die Impression wirkt nach, da sie die Wahrnehmung vorgeprägt hat. Den Weg aus dem Kino heraus muss sich dieser Eindruck erst einmal erhalten und bewähren, und wenn man dann in die Stadt hinaustritt (und bald immer ist es eine Stadt) und sich darin bewegt, sieht man, welche Brille man gerade aufgesetzt bekommen hat.

Es sind die verschiedenartigsten Filme, die dergleichen auslösen. Western sind ein recht kanonisiertes Beispiel dafür (aber so einfach ist es nicht). Was mich angeht, haben Filme wie Sunset Boulevard oder The Night of the Hunter eine unglaubliche Wirkung gehabt. In den glücklichsten Fällen bekommt man die Brille den ganzen restlichen Tag nicht abgesetzt. Man mag dann auf die Nacht und den Schlaf hin schon langsam wehmütig werden, aber oft genug bleibt fürs restliche Leben jeweils ein Säckchen Erinnerung ... - Mag ich bildlich ins Mittelalter gehen und sagen, dass seien diese überraschend kleinen Beutel, in denen die ganze materielle Existenz von jemandem stecken kann; darum ist der Beutelschneider so eine Gefahr und die Verzweiflung so groß und existenziell, wenn der Beutel abgeschnitten wurde. Mag ich das noch um einen magischen Aspekt jener Zeit erweitern, um das Bild, wenn der Beutel, gleich einer Brotzeit, auf einem Baumstumpf inmitten einer Lichtung geöffnet und ausgebreitet wird (sind ja nichts anderes als Lappen, die mit einem Strick verschlossen gehalten werden). Und als wäre darin so eine Art Goldstaub, Feenstaub, dieser verströmte plötzlich sein Aroma, glitzerte auseinander, füllte einen Raum. Das ist jedenfalls das Bild, welches ich in den Kopf bekomme, wenn ich meine, ich müsste diesen Effekt, weil er gerade aufgeschrieben wird, auf den Begriff bringen.

Bleibt zu erwähnen, dass sich diese Werte wieder einsammeln und einschließen lassen. Und soweit ich das bis jetzt überschaue, verbrauchen sie sich von selbst kein Stück (Demolagen von außerhalb freilich ...). - (Ich will das hier nicht mit anderen Erlebnissen vergleichen, einem Konzert etwa, oder gar einem ersten Treffen mit einem Menschen, sondern nur darauf hinweisen und für mich festhalten, dass es auch das gibt.)

Aber ich hatte mit Körte angefangen. - Ganz zweifellos haben die angesprochenen Nach-Bilder einen ganz spezifischen touch, und ganz bestimmt ähneln sie sich von Zombiefilm zu Zombiefilm. Besonders geschärft wird in der Tat die Stadtwahrnehmung selbst. Es scheint mir dieser Aspekt, den die besagte Brille nun fokussiert: aufragende Gebäude, stoppende und anfahrende Straßenbahnen, stehende/sich bewegende Menschen innerhalb dieser Stadt. 1.) ist mir das so gegangen, 2.) sind das alles Dinge, Motive, die in den Zombiefilmen eine besondere Gewichtung bekommen, 3.) erklärt sich der vorliegende Effekt sicher auch nicht so einfach und automatisch.

Die Kritik spricht eine besondere, ausgesprochen individuelle Erfahrung an. In zwei Sätzen lässt sich das Phänomen recht schlecht erklären, und ein bestimmtes Versprechen gibt dieser Schluss, das kaum einzulösen sein wird. Stattdessen hätte ich gern die Antwort gehört, warum ...

*

Noch etwas: Dieser 'publizistische Witz', dass es Romeros Night of the Living Dead doch bis ins Museum of Modern Art "gebracht hat" (Körte), funktioniert auch nur mit einigen Einschränkungen. Als ich diese Anekdote seinerzeit das erste Mal las, hab ich mich über diesen Sachverhalt tatsächlich gefreut. Das wird daran gelegen haben, dass man froh ist, wenn einem - wie hier bei der Verteidigung eigener "obskurer" Interessen - jemand beisteht.

Seither bin ich regelmäßig auf immer die gleiche - kurze - Geschichte gestoßen. Dass aber allein dieses Faktum schon von Bedeutung sei, ist ein Trugschluss. Der Fakt der Aufnahme sagt gar nichts (nicht viel). Er mag ein Zugang sein, Entree in einen Raum, der Auseinandersetzung (andere, anders) ermöglicht. Aber er garantiert diese nicht zwangsläufig. Die Konfrontation mit dem Film ist sogar im Fall von Texten zu Night fast immer mit dem insistierenden Verweis auf die MOMA-Aufnahme sogleich wieder beendet. Die so praktizierte Heiligsprechung des nun (in beiderlei Sinn) unangreifbaren Films ist der Absch(l)uss einer kritisch-analytischen Auseinandersetzung. Die Wahrnehmung eines 'ehrfürchtig stimmenden, nahezu einmaligen Erfolgs' scheint sich darauf zu gründen, dass der Film in ein Reich aufsteigt, in welchem er 'schließlich doch' eine Aura zugesprochen bekommt (er bekommt, so geht die Engelmetapher, "seine Flügel verliehen"). Dabei ist es von dieser (Tempel-)Schwelle zu weiteren Erkenntnissen bloß ein Schritt.


Land of the Dead
CDN/F/USA 2005
George A. Romero, Regie

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